Wo Klopapier zum Luxus wird

Eine schwere Wirtschaftskrise lässt Ägypten fast kollabieren. Das Land sucht Hilfe beim IWF, doch der stellt Bedingungen - Bedingungen, die Kairo bislang immer gescheut hat.

 

Quelle: Süddeutsche Zeitung

Wenn es noch eines Belegs bedurfte, wie schwer die Wirtschaftskrise in Ägypten ist, lieferte ihn Parlamentspräsident Ali Abdel Aal: Er forderte die Todesstrafe für Geldwechsler, die Dollars zu Schwarzmarktpreisen verkaufen. "Ägypten steht einem Wirtschaftskrieg und einer Verschwörung gegenüber, die mit aller Entschlossenheit bekämpft werden müssen", sagte er, nachdem die Abgeordneten gerade beschlossen hatten, die Strafen für Schwarzmarkt-Wechsler auf bis zu zehn Jahre Haft anzuheben.

 

Die Devisenreserven des mit 92 Millionen Einwohnern bevölkerungsreichsten Landes der arabischen Welt waren Ende Juli von 17,5 Milliarden Dollar auf nur mehr 15,5 Milliarden gefallen, nachdem die Zentralbank Kredite bedienen musste - der tiefste Stand seit 16 Monaten. Das Land kann damit nicht einmal mehr die Einfuhren für drei Monate zahlen, auf die es angewiesen ist: Ägypten ist der größte Weizenimporteur der Welt, auch andere Grundnahrungsmittel werden eingeführt.

 

Die Versorgung für die Armen zu gewährleisten ist zugleich überlebenswichtig für Präsident Abdel Fattah al-Sisi - und ihre Zahl steigt: Laut dem Statistikamt Capmas erreichte 2015 ihr Anteil 27,8 Prozent. Die Grenze liegt bei einem Pro-Kopf-Einkommen von umgerechnet 578 Euro pro Jahr, 1,60 Euro pro Tag. Weitere 15 bis 20 Prozent der Menschen leben knapp darüber. Die Inflation ist auf 14 Prozent gestiegen. Bis Jahresende prognostizieren Ökonomen 16 bis 17 Prozent.

 

Zugleich stranguliert die Dollar-Krise die Industrie, die kaum noch Komponenten und Rohstoffe im Ausland kaufen kann. Nachdem die Zentralbank Milliarden ausgegeben hatte, um den Wechselkurs der Landeswährung künstlich zu stützen, hatte sie Mitte März versucht, die Krise mit einer Abwertung um fast 14 Prozent zu bewältigen. Ohne Erfolg: Liegt der offizielle Kurs bei 8,78 Pfund pro Dollar, werden auf dem Schwarzmarkt schon wieder 12,50 bis 13 Pfund gezahlt.

 

Neue Importbeschränkungen und Einfuhrzölle für Hunderte von der Regierung als "Luxusprodukte" deklarierte Güter, darunter Shampoo und Klopapier, sollen den Abfluss harter Währung bremsen, führen aber zu Versorgungsengpässen, die vor allem die Mittel- und Oberschicht verärgern, überwiegend Unterstützer von Sisis Kurs. Sie klagen, dass sie sich immer weniger leisten können, Schul- und Studiengebühren für ihre Kinder unbezahlbar werden. Den drohenden Kollaps der Wirtschaft abwenden soll nun ein Darlehen des Internationalen Währungsfonds (IWF) mit nur etwa 1,5 Prozent Zinsen, das Ägypten zwölf Milliarden Dollar über drei Jahre bringen würde. Auf eine entsprechende Absichtserklärung einigten sich die Regierung und der IWF Anfang August; das IWF-Direktorium muss den Deal aber noch billigen, ebenso das Parlament in Kairo. Reham al-Desoki, Chef-Ökonomin von der auf die Region spezialisierten Investmentbank Arqaam Capital, bezeichnete den Kredit als "letzte Option" für Ägyptens Regierung, die meisten ihrer Kollegen sehen es ähnlich.

 

Laut dem IWF setzt eine Zustimmung noch bilaterale Finanzierungszusagen von fünf bis sechs Milliarden Dollar voraus. Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate haben 4,5 Milliarden Dollar in Aussicht gestellt. Sie halten Ägypten seit 2013 mit insgesamt zweistelligen Milliardenbeträgen über Wasser, verlieren aber die Geduld. Zudem hofft Ägypten auf weitere Kredite von insgesamt neun Milliarden Dollar: Die Weltbank soll drei Milliarden beitragen, sechs Milliarden kleinere Geber wie die Afrikanische Entwicklungsbank.

 

Das Regime lässt sich auf einen heiklen Balance-Akt ein zwischen schmerzhaften Wirtschaftsreformen, die allenfalls mittelfristig Erfolg versprechen, und der Gefahr, große Teile der Bevölkerung zu vergrätzen. Präsident Sisi war 2014 mit den Wahlversprechen angetreten, er werde Sicherheit und politische Stabilität wiederherstellen, um die seit der Revolution 2011 kriselnde Wirtschaft in Gang zu bringen - das ist ihm bisher nicht gelungen. Lag das Wachstum 2015 laut der Weltbank noch bei 4,2 Prozent, senkten die Experten ihre Prognose für 2016 auf 3,3 Prozent.

 

Eine Mischung verschiedener Faktoren, die teilweise außerhalb der Kontrolle der Regierung liegen, sowie die Folgen von Jahrzehnten verfehlter Wirtschaftspolitik zwischen dem Staatssozialismus der Nasser-Zeit und dem Turbo-Kapitalismus unter Hosni Mubarak haben die Wirtschaft Ägyptens an den Rand des Ruins gebracht. Die Einnahmen aus dem Tourismus sind um mehr als die Hälfte eingebrochen und inzwischen auf dem niedrigsten Niveau seit 20 Jahren, seit Terroristen Ende Oktober 2015 einen russischen Ferienflieger mit 224 Menschen an Bord sprengten. Dadurch verlieren viele Ägypter ihre Jobs; die Arbeitslosenquote liegt offiziell bei 13 Prozent, unter jungen Menschen übersteigt sie 40 Prozent. Zugleich versiegt die wichtigste Devisenquelle des Landes. Die Gebühreneinnahmen aus dem Suez-Kanal machen das nicht wett, sie stagnieren wegen des schwächeren Welthandels. Erst 2015 hatte die Regierung die Wasserstraße für 8,2 Milliarden Dollar ausbauen lassen.

 

Wirtschaftswissenschaftler kritisieren, die Regierung kapriziere sich übermäßig auf spektakuläre Mega-Projekte und vernachlässige es, die Privatwirtschaft zu stärken, vor allem kleine und mittlere Unternehmen. Zwar zieht Sisi Teilprivatisierungen staatlicher Unternehmen in Erwägung. Das Firmenimperium der Armee aber, die geschätzt mindestens ein Drittel der Wirtschaft kontrolliert, soll unter dem Ex-General offenbar unangetastet bleiben. Die Armee betreibt Tankstellen und Supermärkte, verteilt subventionierte Lebensmittel. Auch von Kürzungen im Verteidigungsetat ist keine Rede; Kairo gibt Milliarden aus für zwei Mistral-Hubschrauberträger aus Frankreich, vier U-Boote aus Deutschland und Dutzende neue Kampfjets.

 

Auch leistet sich Ägypten einen aufgeblähten, ineffizienten öffentlichen Dienst. Hunderttausende Beschäftigte gehen zwar zur Arbeit, haben aber nichts zu tun. Dennoch kommen sie in den Genuss regelmäßiger Beförderungen und Gehaltserhöhungen. Subventionen und Schuldendienste von hochverzinsten Krediten im Inland sind die beiden anderen Posten; für öffentliche Investitionen bleibt kaum Geld.

 

Die Überweisungen von Auslandsägyptern aus den Golfstaaten sind ebenfalls um zwölf Prozent gefallen. Auch gehen die Investitionen aus dem Ausland zurück, die in der Mubarak-Ära einen entscheidenden Teil des Wachstums ausmachten - potenzielle Investoren haben keine Sicherheit, ihre Einnahmen in harter Währung außer Landes bringen zu können. Abschreckend ist zudem die überbordende Bürokratie.

 

Nun soll der IWF-Kredit im Zusammenspiel mit dem Reformprogramm der Regierung den verheerenden Trend umkehren und wieder mehr Wachstum und vor allem Arbeitsplätze schaffen. Die Regierung hatte Anfang des Jahres Wirtschaftsreformen angekündigt - und versucht diese als unabhängig von dem IWF-Kredit erscheinen zu lassen. Vorgesehen ist, die Verkaufssteuer von zehn Prozent durch eine Mehrwertsteuer von 14 Prozent zu ersetzen und auch Kapitalerträge zu besteuern. Zudem sollen Subventionen auf Treibstoff, Strom und teils Lebensmittel weiter gekürzt werden; sie machen ein Viertel des Haushalts aus. Dabei sollen die Armen geschont werden, was auch der von der linken Opposition als neoliberal kritisierte IWF akzeptiert.

 

Das Haushaltsdefizit soll so von derzeit 11,3 Prozent auf unter zehn Prozent sinken, die Staatsverschuldung, die fast die Höhe der Wirtschaftsleistung erreicht, auf etwa 88 Prozent. Problematisch bleibt die angestrebte Freigabe der Wechselkurse, dürfte sie doch eine weitere Abwertung des Pfunds erzwingen. Die Zentralbank will die Kurse erst freigeben, wenn die Reserven 25 Milliarden Dollar betragen, auch wenn ihr neuer Chef die künstliche Stützung des Pfunds "einen großen Fehler" nennt.

 

Ob das Parlament bei all dem mitspielt, ist fraglich. Abgeordnete haben gefordert, den Satz für die geplante Mehrwertsteuer auf zwölf Prozent zu verringern. Auch blockieren sie bislang eine Reform des öffentlichen Dienstes, die eine leistungsabhängige Bezahlung und Beförderung von Beamten vorsieht - nicht aber die Entlassung von Hunderttausenden Staatsdienern, über die oft spekuliert wird.

 

Sollte das IWF-Direktorium die Bedingungen für einen Kredit als erfüllt ansehen, könnte Ägypten schon im September die erste Rate von 2,5 Milliarden Dollar einstreichen. Alle weiteren Zahlungen wären dann aber von der Umsetzung der vereinbarten Schritte abhängig - was Sisi und die Regierung unter Zugzwang setzen würde. Schon zwei Mal hatte der IWF sich mit Ägypten auf Kredite geeinigt - sie kamen nicht zur Auszahlung, weil Kairo letztlich vor zugesagten Reformen zurückscheute.

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Kommentare: 1
  • #1

    Kelly Flack (Mittwoch, 23 November 2016 12:36)

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