Der "arabische Frühling":

Februar 2011 Beginn der turbulenten Zeiten in Ägypten

 

Am Montagmittag ruft mich Wolfgang an, dass er um 16:30 Uhr in Hurghada ankommt. „Super, Ich freue mich schon und werde dich vom Flughafen abholen“, sag ich zu ihm. Bis dahin ist ja noch Zeit und so fahr ich in die Senzo Mall um noch ein paar Kleinigkeiten einzukaufen. Dann noch das Bett hergerichtet und ich bin bereit auf Wolfgangs Besuch. Gegen 15:00 Uhr ruft mich Wolfgang aus Kairo an, er steckt im Stau und wird wahrscheinlich den Flieger versäumen. Er meldet sich wieder. Nach ca. einer halben Stunde dann der Anruf, er hat zum ersten Mal in seinem Leben einen Flieger versäumt! Es war eine Mischung aus zu spät wegfahren und dem unerwarteten langen Stau. Er hat jetzt auf die Abendmaschine umgebucht, er ist gegen 20:30 Uhr bei mir. So hab ich noch Zeit, erledige noch ein paar Sachen und fahre in den „Jazzclub“ um ein paar Bier zu kaufen. Ich organisiere einen Taxler der mich zuerst nach Hause und dann zum Flughafen fährt, dort warten wir dann vor der Ankunftshalle. Pünktlich durchschreitet Wolfgang die Türe der Ankunftshalle. Ich empfange ihn mit der österreichischen Fahne. Nach einer herzlichen Umarmung zur Begrüßung fahren wir zu mir nach Hause um sein Gepäck abzustellen. Danach geht es noch einmal raus um etwas zu Essen und danach in den „Jazzclub“. Wir haben natürlich viel zu erzählen, unter anderem erzählt mir Wolfgang von einer kleinen Demo in Kairo. Es wird spät, bis wir ins Bett kommen.

 

Am Dienstag fahren wir nach dem (etwas späten) Frühstück zur Ersterkundung mit einem Minibus nach Dahar. Nach einem Rundgang durch den Markt, und einem Espresso in einem typischen „Cafe“ schlendern wir etwas durch Dahar. Dann geht es zurück nach Sakalla zur New Marina. Wir bummeln etwas durch die Marina und kehren ins „Lodge“ auf ein gutes Steak ein. Das Steak war wieder einmal wunderbar. Beim Zurückgehen fallen wir noch in „Papas Bar“ rein. Dort läuft im Barbereich die Übertragung des Premier-Ligue Spiels Manchester United gegen Blackpool auf Grossbildleinwand. Zahlreiche englische Touristen sind anwesend, die meisten sogar in Fanartikeln und Leibchen von Manu „verkleidet“. Am meisten fällt uns ein Pärchen direkt vor uns an der Bar auf. Beide sehr korpulent und er der totale ManU Fan. Das ganze wurde (für uns) richtig lustig, als wir die Reaktionen der beiden sahen, als Blackpool 1:0 in Führung ging. Beim 2:0 war „sein Sinn des Lebens“ derartig am Boden, dass ihn nur mehr ein kräftiger Schluck Bier vor dem Suizid rettete. Ich glaube, wenn er alle Neckereien, die Wolfgang und ich uns für ihn zuflüsterten gehört und verstanden hätte, hätte er sich noch in der Halbzeit das Leben genommen. Bis zur 70. Minute versanken die ManU-Fans immer mehr, danach „drehte“ Manu das Spiel doch noch. Am Ende hieß es 3:2 für ManU, das Leben hatte wieder Sinn und das Bier floss jetzt erst recht.

 

Am Mittwoch fahren wir zuerst einmal zu den Euro-Divers. Da Wolfgang am Freitag zurück nach Kairo fliegen will, wollen wir morgen aufs Boot tauchen gehen. Dazu ist heute Nachmittag der Check-Dive notwendig. Karin begrüßt uns und erklärt uns aber dann, dass heute Nachmittag kein Check-Dive stattfindet. Naja, da müssen wir umplanen. Wir gehen also zum Egypt-Air Schalter um uns zu erkundigen, welche Möglichkeiten Wolfgang sonst noch hat. Schließlich entscheidet er sich für einen Rückflug am Samstag früh morgens. Daher zurück zu Euro-Divers und Anmeldung des Check-Dives für morgen Nachmittag und einen Tauchausflug am Freitag. Danach spazieren wir auf der Esplanada hoch bis zum „Siva-Hotel“ und beim Retourgehen bekommt Wolfgang einen Anruf von einer Bekannten, dass es in Kairo erste Unruhen gibt. Hier ist alles friedlich, naja werden halt ein paar Studenten protestieren! Am Abend schauen wir natürlich in den Fernseher. Naja, es wirbelt wirklich halbwegs in Kairo. Hier gibt es wirklich noch keine Anzeichen, wir schauen auch ins Internet. Alles ist in Ordnung, sogar facebook ist online.

 

Am Donnerstag fahren wir nach dem Frühstück nach Dahar auf den Markt, weil Wolfgang ein paar Fotos machen will. Wir schlendern durch Dahar und fahren dann zurück, weil Wolfgangs Check-Dive um 15:00 Uhr beginnt. Wolfgang hat Probleme, er fühlt sich im „Kaltwasser“ Neoprenanzug nicht wohl, er ist bisher nur mit Shortys getaucht. So beschließen wir, morgen nicht tauchen zu gehen. Während Wolfgang tauchen war, hab ich mit Bernhard wegen der Situation hier diskutiert. Wir sind beide recht zuversichtlich, dass wir hier nicht viel „abbekommen werden. O.k., facebook und twitter sind seit Mittag gesperrt, aber sonst gibt es bei uns keine Auswirkungen. Wolfgang und ich gehen abends gemütlich essen ins „Steakrestaurant“ auf der Esplanada. Alle beobachten interessiert die TV-Sendungen, aber sonst merkt man auch abends hier gar nichts. Und da ja morgen kein Wecker läutet, schauen wir beim Heim gehen noch ins „Caribbean“. Um Mitternacht beginnt ein Einheimischer „Profi“ live zu singen. Er hat wirklich eine gute Stimme. Dann gesellt sich ein Zweiter, wir vermuten es ist ein Gast, dazu und singt. Der Typ erinnert uns aufgrund seiner Bewegungen an Joe Cocker, aber er hat eine wirklich gute Stimme. So vergeht die Zeit sehr schnell und es ist bereits nach 4 Uhr früh als wir heim kommen. Wir wollen uns noch kurz im Internet die neueste Entwicklung in Kairo anschauen, aber das Internet lässt sich nicht mehr aufrufen.

 

Am Freitag stehen wir erst gegen Mittag auf. Der erste Blick gilt CNN. In Kairo wirbelt es ganz schön. Wir diskutieren über die Situation, vor allem weil Wolfgang normal morgen nach Kairo fliegen will. Es hat aber wirklich keinen Sinn. Er will sich ja in Kairo noch etwas anschauen, aber das ist unmöglich und nur zum „Hotelsitzen“ braucht er nicht nach Kairo. So beschließen wir, dass er hier bleibt und am Dienstag sehr früh nach Kairo fliegt und dann weiter nach Wien. So besuchen wir wieder Egypt-Air. Wolfgang will den morgigen Flug auf Dienstag umbuchen. Das wird jedoch zum Problem. Das Internet geht nicht mehr und die Telefonie nach Kairo ist eingeschränkt. Der Infofluss ist schwer beeinträchtigt. Der Schalterbeamte kann uns, trotz echter Bemühungen, keine Auskunft geben. Wir sollen morgen wieder herkommen, vielleicht kann er uns morgen etwas sagen. Auch das Verschicken von SMS geht nicht mehr. Mubarak hat alle Kommunikationsmittel mit denen schnell viele Leute informiert werden können, einfach „abgedreht“! Wir fahren nach Sakalla und schauen, was sich dort so tut. Es ist alles ruhig. Nach einem guten Essen im „Samos“, einem griechischen Restaurant in Sakalla, geht es zurück ins Jazz zur Divers Night. Die ersten Meldungen machen die Runde, wir sollen um 22 Uhr heimfahren, es könnte danach „etwas geben“, schließlich gilt ja bereits seit 16 Uhr die Ausgangssperre.

 

Etwas verunsichert schalten wir am Samstag bereits zum Frühstück den Fernseher ein und schauen auf 3 SAT die 9:00 Uhr ZiB. Danach wird umgeschaltet auf CNN, der ab heute eigentlich immer nebenbei läuft, wenn wir zu Hause sind. Wir fahren wieder zum Büro von Egypt-Air, erfahren aber wieder nichts. So fahren wir nach Sakalla um im „Heaven Bistro“ etwas zu Essen. Es ist ca. 20:00 Uhr, alles ist ruhig und eigentlich ganz normal. Mir fällt nur auf, dass alle Polizeiposten unbesetzt sind. Auch im Heaven läuft der Fernseher und es wird vom Rückzug der Polizei und ersten Plünderungen in Kairo berichtet. Gegenüber von uns sitzen zwei jüngere deutsche Mädchen, die ständig Anrufe erhalten. Je öfter sie angerufen werden, desto nervöser werden sie. Gegen 22:00 Uhr kommt die Chefin und ersucht uns zu zahlen, weil sie in Kürze das Lokal schließen will. Es soll heute „Ungemütlich“ werden, auf der Sheraton Road werden bereits alle Läden dicht gemacht und es postieren sich überall mit Prügeln bewaffnete Ägypter. Sie warnt uns davor, noch in die Sheraton Road zu gehen, ausserdem ist alles zu – auch die New Marina!! Schließlich holt uns sogar ein ägyptischer Angestellter ein Taxi, damit wir nicht mehr „raus müssen“. Wir fahren die Straße an der Marina entlang Richtung Sakalla Square. Uns bietet sich wirklich ein gespenstisches Bild. Die Marina, DIE Flaniermeile, ist komplett finster und die Eingänge komplett verriegelt. Davor mit Baseballschlägern, Holzprügeln oder einfachen Holzlatten „bewaffnete“ Männer. Der Taxler fährt nicht wie üblich durch die Sheraton, weil es angeblich zu gefährlich ist, sondern einen ziemlichen Umweg über die Flughafenautobahn. Wir kommen sicher zu Hause an, diskutieren aber noch einige Zeit, während natürlich wieder der Fernseher läuft. Meine Stimmung ist auf dem Nullpunkt, ich kann lange nicht einschlafen – es gehen mir einfach hunderttausend Gedanken durch den Kopf!

 

Sonntag: CNN läuft seitdem wir aufgestanden sind, um 10 Uhr schauen wir die 9 Uhr Nachrichten von ORF 2 im 3 SAT. Die Meldungen werden immer schlimmer. Um uns etwas abzulenken, schauen wir uns die Fotos von Wolfgang an und ich zeig ihm das Video von unserer Afrikareise, aber im Hinterkopf ist immer die aktuelle Situation. Gegen 16:00 Uhr fahren wir wieder zum Egypt-Air Schalter. Aber auch heute erhalten wir keine neue Info. Wolfgang erfährt zwar, dass das Ticket für den Flug nach Kairo aufgrund der aktuellen Situation auch am Dienstag gelten wird, aber er kann weder den Flug Kairo – Wien rückbestätigen, noch ist es gewiss, ob dieser Flug überhaupt geht. Es ist eine total ungute Situation, weil einfach niemand irgendwelche Informationen hat. Schön langsam will Wolfgang einmal nach Hause, aber Wie und Wann wird immer ungewisser. Wir gehen ins Jazz, vielleicht hat Ayman Neuigkeiten, bzw. wollen wir erfahren, ob es gestern hier auch „etwas gegeben“ hat. Es war aber alles normal, hier herrscht heile Welt. Aber, es sind sehr wenig Touristen angekommen. Samstag / Sonntag ist Haupt An- und Abreisetag. Die Flieger sind rappelvoll abgeflogen und nur zu einem Drittel besetzt angekommen. Außerdem redet er das erste Mal von einem Generalstreik und einer Riesendemo am Dienstag. Es bleibt auch heute den ganzen Abend ruhig.

 

Der Montag steht ganz im Zeichen des Rückfluges von Wolfgang. Die Fernsehbilder von tausenden gestrandeten Touristen am Flughafen Kairo haben auch Wolfgang etwas verunsichert. Zusätzlich verdichten sich die Gerüchte, dass es am Dienstag zu einem Streik kommt und von Kairo aus keine Flüge gehen. Was soll er dann tun? Er entschließt sich über das Reisebüro einen Flug am kommenden Samstag direkt von Hurghada nach München zu buchen.

 

Der Dienstag wird von Allen mit gemischten Gefühlen erwartet. Heute soll „der Marsch der Millionen“ in Kairo stattfinden. Viele Fragen sind offen und beschäftigen die Leute hier. Wird das ganze friedlich stattfinden? Wie verhält sich Polizei und Militär? Schwappen die Unruhen auch auf die Tourismusorte über?

 

Wir sitzen fast den ganzen Tag vor dem Fernseher und verfolgen CNN. Die Demonstrationen verlaufen friedlich, das Militär und die Polizei halten sich zurück, sind aber präsent. Beides ist ein gutes Zeichen. Wir fahren am Nachmittag nach Sakalla essen, um evtl. schon früher nach Hause zu fahren, wenn bei Einbruch der Dunkelheit auch Sakalla von den Demos betroffen sein sollte. Bei der Hinfahrt sehen wir ein gepanzertes Militärfahrzeug mit ein paar Soldaten auf der Straße zum Flughafen. Die Polizeiposten sind normal besetzt – es ist nirgends Unruhe oder Nervosität zu spüren. Beim Reinfahren nach Sakalla stehen beim ersten Kreisverkehr der Sheraton Road einige Zivilisten und leiten den Verkehr um. Aha, denken wir, es gibt bereits Vorbereitungen, es wird also am Abend Demos geben. Wir gehen essen und danach zurück zur Sheraton. Es ist aber alles ruhig, das Leben läuft den normalen Weg. Nur läuft auf den TV-Schirmen in jedem Lokal nicht „König Fußball“ sondern die Nachrichten und es sind um einiges weniger Touristen als gewohnt unterwegs.

 

Wir setzen uns in einen Gastgarten direkt an der Sheraton Road und wollen die weitere Entwicklung abwarten. Doch es bleibt ein ruhiger Abend. So fahren wir um ca. 23:00 Uhr zurück ins Jazz und trinken dort noch ein Achterl Wein.

 

Gestern war ein etwas bedrückender Tag. Wir waren uns eigentlich ziemlich sicher, dass das Gröbste nach dem friedlichen Demos gestern vorbei ist. Jetzt kommen Schlägertrupps von Mubarak Anhängern! Manche sprechen von bezahlten und gekauften Schlägern, manche von Polizisten in Zivil – organisiert von „Günstlingen und Profiteuren“ Mubaraks. Erstmals gibt es im Touristenzentrum, der Esplanada rund um das Grand Hotel Demonstrationen – von Mubarak Anhängern. Es kommt auch zu Schlägereien zwischen den Ägyptern. Hoffentlich artet dies nicht weiter aus!

 

Augenblicke des "arabischen Frühlings":

 

Mittwoch, 02.02.2011 Eindrücke der Krise in Ägypten

 

Vorigen Montag am Abend kam Wolfgang, ein sehr guter Bekannter aus Linz, von Kairo aus zu mir auf Besuch. Er wollte am Ende seiner 6 monatigen Afrika-Durchquerung (von Kapstadt nach Kairo) noch ein paar Tage zu mir kommen. Er ist immer noch hier – die Ereignisse haben sich überschlagen!

 

Als er ankam, erzählte er mir, dass es ihn wundert, dass sich die Bevölkerung das Regime Mubarak gefallen lässt. Er ist mit dem Taxi minutenlang entlang des prunkvollen Präsidentenpalastes entlanggefahren und hat kurz darauf bitter arme ÄgypterInnen gesehen. Auf der Fahrt zum Flughafen gab es erste kleine Demonstrationen, denen er eigentlich keine größere Bedeutung beimaß.

 

Am Mittwoch waren wir abends unterwegs, als Wolfgang einen Anruf einer Freundin aus Linz bekam, dass in Kairo Demonstrationen gegen Mubarak begonnen haben. Wenn dieser Anruf nicht gewesen wäre und wir kein TV geschaut hätten, hätten wir am Beginn der Unruhen gar nichts mitbekommen. Erst als in den meisten Lokalen die Fernseher „heißliefen“ und in der Nacht von Donnerstag auf Freitag das Internet und SMS vom Handy abgedreht wurde uns das ganze Ausmaß erst richtig bewusst. Was danach alles passiert ist, haben wir auch nur mehr von diversen Fernsehsendern (vor allem CNN) erfahren.

 

Welche Auswirkungen hatten die Unruhen hier:

 

Es hat zwar in Hurghada NIE Ausschreitungen gegeben, es herrschte aber immer ein ungutes Gefühl, weil es einfach keine Information gab. Wir waren einige Male bei Egypt-Air, weil Wolfgang eigentlich vorigen Samstag nach Kairo zurückfliegen wollte. Er hat zwar das Ticket gehabt, aber nachdem in Kairo die Lage unsicher war, war an eine Rückkehr nicht zu denken. Am Dienstag wäre sein Flug von Kairo nach Wien geplant gewesen, wir wussten aber bis Montagabend nicht, ob der Flug von Hurghada nach Kairo, bzw. der Flug nach Wien überhaupt geht. Erst am Montagabend war klar: es geht weder der eine noch der andere Flug!

 

Es war ein Wechselbad der Gefühle. Man sieht im TV schreckliche Bilder und ist nicht einmal 500 km davon entfernt. Man ist im selben Land, aber hier ist immer alles ruhig. Wir sprechen mit Leuten, deren Freunde in Kairo und Alexandria demonstrieren und die sich hier bei den Touristen dafür entschuldigen. Wir sehen, wie sich die Polizei total zurückzieht und so für Plündereien und Chaos Tür und Tor öffnet und wie sich die Ägypter mit Holzprügeln „bewaffnen“ um ihr „Hab und Gut“ zu beschützen. Da steckt kein Funken Aggressivität dahinter, trotzdem heißt es in den Medien „Schlägertrupps“ ziehen umher. Ja, es war momentan ein wirklich komisches Gefühl – DIE Flaniermeile, die New Marina, finster, abgeriegelt und total bewacht.

 

Wir werden von österreichischen Journalisten angerufen, die total enttäuscht sind, dass wir keine „reißerische“ Story bieten können.

 

Am Dienstag, dem Tag des „Marsches der Millionen“, sind wir bis nach 23:00 Uhr in Sakalla, aber es tut sich überhaupt nichts, es ist einfach nur friedlich. Gott sei Dank verlaufen auch die Demos in Kairo und Alexandria friedlich. Mubarak zieht sich zurück und schickt seinen neu ernannten Vize „an die Front“. Erste Pro-Mubarak Stimmen werden laut.

 

Am Mittwoch gibt es erstmals eine Demonstration vor den Touristenhotels. Es sind Anhänger von Mubarak, ob freiwillig, bezahlt oder befohlen, ich kann es nicht sagen. In den Medien heißt es, dass wären bezahlte Demonstranten bzw. regimetreue Polizisten in Zivil. Nachdem ich jetzt doch schon einige Zeit hier bin, traue ich mir zu behaupten, dass Ägypten eines der fortschrittlichsten moslemischen Länder der Welt ist. Und da hat Mubarak und sein Regierungsstil in den letzten dreißig Jahren nicht unerheblich mitgewirkt. Er hat sich sicherlich persönlich bereichert, aber es war sicher nicht alles schlecht, was er getan hat. Er hat genug Anhänger. Ich hoffe nur, dass jetzt kein Bürgerkrieg zwischen den Anhängern und den Gegnern Mubaraks ausbricht.

 

Berichterstattung in den Medien

 

Das sich derzeit die Medien mit negativen Meldungen über Ägypten überschlagen, ist eine Tatsache. Das gewisse „Klein- und Billigformate“ immer übertreiben um die Verkaufszahlen zu pushen, ist auch bekannt, dass aber auch als seriös geltende Zeitungen nun schlecht oder nicht recherchierte Artikel in diese „Schlacht“ werfen, ist etwas bedrückend.

 

Der Artikel „Gabi T. aus Leonding: »Uns Auslandsösterreichern hilft keiner«“ gestern in den oberösterreichischen Nachrichten fällt genau in diese Kategorie. Sollte die Dame tatsächlich seit 13 Jahren in Hurghada leben, dann muss sie in einem anderen Hurghada als ich leben! Die Behauptungen von ihr sind schlichtweg naiv und übertrieben.

 

Ich kenne mittlerweile genug „Residents“, vor allem aus Deutschland, aber kein einziger ist zurückgeflogen, und schon gar nicht geflüchtet. Es wurde bis jetzt niemand bedroht bzw. überfallen. Ich habe noch von Niemanden gehört, dass er / sie sich unsicher fühlen. Hurghada ist sicher nicht von der Außenwelt abgeschnitten. Meine Nachbarin fährt jeden Tag ca. 70 km nach Safaga mit dem Auto zur Arbeit. Es gibt jede Menge TV-Sender (außer El Jazeera war auch nie ein Sender gesperrt), es gibt wieder Internet und das Telefonieren geht auch wieder normal.

 

Es stimmt zwar, dass in vielen Läden keine Pre-Paid Aufladekarten mehr zu haben sind, aber die „Haupt Verkaufsstellen“ in Sakalla laden per SMS jeden gewünschten Betrag aufs Handy. Für Mobinil ist dieser Laden direkt auf der Sheraton Road, also keineswegs ein „Geheimtipp“, den findet wirklich jeder. Wir haben beide einige Male unsere „Handys geladen“:

 

Es stimmt zwar, dass von zehn Bankomaten sechs bis sieben dieser Dinger „temporarly out of order“ sind, aber gerade die Bankomaten direkt bei größeren Banken oder im Umkreis von Hotels sind meistens befüllt. Nur heißen Bankomaten hier halt nicht Bankomat, sondern ATM. Aber das müsste man nach 13 Jahren wissen.

 

Versorgungslage: es muss hier wirklich niemand Hunger leiden! Es gibt wirklich noch genug zu kaufen. Es gibt punktuelle Engpässe, aber keinen „dramatischeHurghada ist NICHT von der Außenwelt n Lebensmittelengpass“. Ich war jeden Tag einkaufen und wir haben jeden Tag sehr gut und reichlich gefrühstückt. Punktuell gibt es Versorgungsengpässe bei beliebten Zigarettenmarken, aber das wird sie ja nicht mit Babynahrung gemeint haben. Seit voriger Woche müssen alle Autos hier auf Betrieb mit Wasser umgestellt haben. Es gibt angeblichen keinen Benzin mehr, aber es fahren noch immer tausende Taxis und Privatautos!

 

Ausreise per Flugzeug: es stimmt schon, dass wir „Residents“ nur mit Linienflügen ausreisen dürfen, aber es gibt z.B. jede Woche einige Flüge direkt von Hurghada nach München. Jeder Condor-Flug am Montag, Donnerstag und Samstag ist so ein Quasi-Linienflug (2.te Stelle der Flugnummer muss eine Null sein). Wolfgang ist heute mit so einem Flug unterwegs (kurzfristig gebucht - Flugnr.: DE-6069). Buchbar über Internet oder jedes Reisebüro. Wenn ich will, kann ich nächsten Montag heimfliegen.

 

Die Stimmung hier ist keineswegs aufgeheizt, Wolfgang und ich waren jeden Tag (tlw. bis 3:00 Uhr morgens) in Sakalla unterwegs, wir haben weder in den Bussen noch in den vielen kleinen Restaurants (wo eigentlich nur Ägypter hingehen) etwas von „Bombenstimmung“ oder „Jihad“ bemerkt. Und dass wir nicht im „Kugelhagel“ gestorben sind, werden einige von Euch spätestens dann merken, wenn Wolfgang bei der Tür des Exclusiv rein kommt.

 

Nach telefonischer Rücksprache von Wolfgang bei einem Bekannten, der Journalist der OÖN ist, meinte dieser nur: „da haben wir halt die Falsche erwischt“!!! Wir glauben nicht, im Gegenteil: sie haben genau die richtige erwischt! Sie haben genau danach gesucht!! Obwohl Wolfgang öfters angerufen worden ist (unter anderem auch von Live-Radio) wurde davon kein einziges Wort geschrieben. Grund: er hat denen immer die Lage ehrlich geschildert und damit gab es keine „dramatischen Schlagzeilen“!!

 

Ja, die Situation in Kairo ist schlimm, Ägypten und die Menschen hier machen eine schwere Zeit durch. Die Sorgen, wie es in Zukunft weitergehen soll, steigen. Viele Ägypter sprechen die letzten noch verbliebenen Touristen an und entschuldigen sich für die momentane Lage, bitten aber gleichzeitig um Verständnis. Wir haben in den letzten Tagen mit zahlreichen Ägyptern gesprochen, aber eigentlich nie das Gefühl gehabt, dass sich Resignation bzw. „Totengräberstimmung“ breitmacht. Alle hoffen, dass sich die Lage im „fernen Kairo“ bald wieder normalisiert und auch der hier lebensnotwendige Tourismus wieder einsetzt. Solche Artikel tragen sicher nicht dazu bei.

 

Montag, 07.02.2011 Evakuiertes Hurghada

 

Ich bin heute bewusst durch Hurghada, durch alle Stadtteile gegangen, und was ich gesehen habe, war einfach tragisch. Es sind momentan nur mehr ca. 5% der „Pauschaltouristen“ hier.

 

Dahar, also die „Altstadt“, war in etwa so wie immer. Am Markt herrschte rege Tätigkeit, es gab genug zu kaufen. Es war eigentlich kein Unterschied festzustellen. Sakalla war von Ägyptern beherrscht, in den Cafes und Gastgärten entlang der Sheraton Road, wo normal hunderte wenn nicht tausende Touristen sitzen, saß vielleicht eine „Handvoll“. Die Sheraton Road selbst, die normal eine größere Dichte an Taxis wie New York hat, war gespenstisch leer. Es waren mehr Privat- Pkw’s als Taxis unterwegs. Viele Geschäft haben geschlossen. Entlang der Esplanada im Touristenzentrum dasselbe Bild. Es war erst 21:00 Uhr, aber normal ist um 5:00 Uhr morgens hier mehr los. Zwischen dem „Siva“ („little Buddha“) und dem „Grand Hotel“ war ich der Einzige auf der Prachtstraße. Erst in unmittelbarer Umgebung des „Grand Hotels“ waren einige wenige Touristen unterwegs. Im Jazzclub, normal brechend voll, saßen gerade mal fünf oder sechs Touristen. Es ist jetzt schon leer, aber nächste Woche wird es noch ärger. Neben mir sitzt der Küchenchef einer der größten Hotelketten hier und diskutiert mit seinem deutschen Kollegen darüber, welche Möglichkeiten sie haben, um auf diese Krise zu reagieren. Verträge die bereits für die beginnende Saison abgeschlossen wurden, müssen storniert werden. Personal wird auf, vorerst bezahlten und dann unbezahlten, Urlaub geschickt. Auch von Kündigungen wird gesprochen.

 

Ich habe in den letzten Stunden mit vielen Ägyptern über dieses Thema gesprochen. Vielen hier ist es unverständlich, dass (fast) alle Touristen abgereist sind, wo doch in Hurghada alles normal ist. Ich habe versucht ihnen zu erklären, dass der normale Europäer nicht weiß, dass zwischen Kairo und Hurghada fast 500 km und „Welten der Anschauung“ liegen, und dass in den Medien nicht zwischen Kairo und Hurghada unterschieden wird. Verstehen können es die Leute hier erst, wenn du sie fragst wo Austria liegt. Viele verwechseln Austria mit Australia bzw. glauben, dass „Austria is a part of Germany“.

 

Gerade diese Gespräche haben mein Gefühl wieder bestätigt, Ägypter sind einfach liebe Leute und gerade die jüngeren Ägypter sind sehr neugierig, interessiert an Allem, keineswegs islamisch-fundamentalistisch und „Weltoffen“. Darum sehe ich nicht die Gefahr, dass Ägypten von den „alten Moslimen“, vergleichbar mit Iran, in Zukunft regiert wird. Die Ägypter wissen sehr wohl was sie wollen, auch wenn es in den europäischen Medien anders geschrieben wird.

 

Freitag, 12.02.2011 Ent- Fesseltes Hurghada

 

Ich habe am Nachmittag (nach dem WM-Sieg von Anna Fenninger in der Super Kombi) die ersten Meldungen im Fernsehen und im Internet gelesen, dass lt. Al Arabia, dem ägyptischem Fernsehsender, Mubarak den Präsidentenpalast verlassen hat. Das waren aber zu der Zeit noch unbestätigte Gerüchte.

 

Um 17:00 Uhr habe ich ein Treffen mit Tom und seiner Bekannten, die vorgestern mit ihrem vierjährigen Sohn angekommen ist, gehabt. Ich bin relativ pünktlich im Jazz angekommen, obwohl es momentan gar nicht so leicht ist. Es fahren einfach sehr wenige Taxis und Minibusse. Ich habe kurz erwähnt, was ich im gehört habe, aber er hat es auch nicht geglaubt. Erst als wir gegen 18:30 Uhr die ersten hupenden Autos gehört haben, haben wir uns gedacht, das Gerücht könnte wahr sein. Wir sind noch eine Zeit zusammengesessen und ich habe die Drei für morgen zum Brunchen eingeladen. In dieser Zeit sind bei Tom und mir zahlreiche SMS mit der Meldung von Mubaraks Abgang eingegangen.

 

Ich bin danach noch nach Sakalla gefahren um etwas einzukaufen. Es war ein Wahnsinn – Sakalla war in Volksfeststimmung. Ich habe gestern das erste Mal wirklich kein Geld bei einem ATM bekommen, aber mit den letzten Pfunden war ich noch einkaufen und vor allem, ich habe diese Volksfest- und Aufbruchsstimmung miterleben dürfen. Zahlreiche hupende Autokonvois auf der Sheraton Road und zig Menschen die sich in den Armen lagen und getanzt haben. Ich bin von Ägyptern umarmt und „gebusserlt“ worden – es war einfach Volksfest. Ich bin aber gegen 22:00 Uhr mit einem Taxi heimgefahren, mir wurde es fast Zuviel, zumal ich mir nicht sicher war, dass die Anhänger von Mubarak evtl. aus Frust irgendeine Aktion vorhaben.

 

Es war aber toll, bei einer der Weltumfassendsten Entscheidungen mittendrin gewesen zu sein. Ich war die ganze Zeit hier in Ägypten, zwar nicht im Zentrum der Demos in Kairo, aber ich habe dennoch sehr viel von dieser Revolution mitbekommen. Ich war das erste Mal in meinem Leben „mittendrin statt nur dabei“, wie ein deutscher Sportsender wirbt. Es ist einfach ein wahnsinniges Gefühl, das selbst mitzuerleben und nicht nur im Fernsehen informiert zu werden.

 

Für die nähere Zukunft hoffe ich, dass sich die Lage rasch normalisiert und die Zeitungen und das TV damit keinen Grund mehr haben, (schlechte) Schlagzeilen über Ägypten zu berichten.

 

Freitag, 18.02.2011 ruhiges, leeres, friedliches Hurghada

 

Hurghada ist menschenleer. Es gibt ein paar Langzeiturlauber und ein paar Residents die hier sind. Viele Läden entlang der Einkaufsstraßen sind geschlossen, die meisten Banken sind nur von 10:00 bis 12:00 Uhr geöffnet. Viele Hotels sind zu, viele Hotelketten betreiben nur mehr einen Standort, Tauchbasen sind geschlossen oder machen Notbetrieb und Taxis fahren nur mehr wenige, daher sind auch viele Ägypter heim zu ihren Familien. Was sollen sie auch hier machen. Sie haben unbezahlten Urlaub oder wurden schon gekündigt. Einige Pubs und Bars haben trotzdem noch offen. Jeder wartet sehnsüchtig auf Touristen.

 

Ich hatte die Woche nur 2 positive Erlebnisse. Schenker Alexandria hat sich wieder gemeldet, die machen seit Montag wieder Dienst, es beginnt langsam die Normalität. Und am Mittwoch waren wir wieder Tauchen.

 

Mittlerweile heißt es ja in den Nachrichten, dass ab 3. März Hurghada und Sharm wieder angeflogen wird. Ich bin gespannt – Nachfrage ist da. Das Grand Hotel hat für die erste März-Woche ca. 300 Vorreservierungen.

 

Freitag, 25.02.2011 es kommen wieder Touristen…

 

… nach Ägypten. Vorigen Samstag sind 6 Flugzeuge aus Deutschland gelandet. Im Grand Hotel, im Grand Resort und im Siva sind je ca. 250 Urlauber einquartiert. Meine Lieblingstauchbasis, die Eurodivers im Grand Hotel sind mit Einigen AOWD- Kursen wieder halbwegs ausgelastet. Nächste Woche kommen auch einige Freunde von mir wieder, die eigentlich schon früher kommen wollten, aber…. Es versteht eigentlich niemand die europäischen Politiker. Dass die Reisewarnung nicht schon längst aufgehoben worden ist, verstehen nicht mal die Urlauber, die jetzt hier sind. Dass diese überhaupt ausgesprochen wurde, haben wir hier vor Ort lebende, nie verstanden.

 

Samstag, 26.03.2011 Es geht wieder bergauf….

 

Schön langsam merkt man, dass wieder mehr Touristen nach Hurghada kommen. Das Treiben wird merklich mehr. Ob in der Stadt, auf der „Flaniermeile“ oder am Roten Meer. Es fahren wieder mehr Boote mit Tauchern raus. Ich habe auch den ersten Auftrag nach der Krise ausgeliefert. Es geht wieder bergauf.


Fazit:

Der "arabische Frühling" und was daraus geworden ist, ist ja mittlerweile Vergangenheit. Ägypten leidet auch nach drei Jahren noch an den Auswirkungen. Dies sollte nur eine Schilderung der ersten Tage bzw. Wochen aus meiner Sicht sein.